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»Servus Europa - Rette sich wer kann«


Die Titelseite meiner Homepage beschäftigt sich mit allen Themen, welche mich bewegen. Dann war ich wohl eiskalt im letzten Jahr, denn hier hat sich nicht viel getan. Dabei brennt mir kein Thema so lange und so tief unter den Nägeln wie Europa, der Euro und die düsteren Aussichten in die Zukunft der beiden. Europa soll zusammenrücken und genau das Gegenteil passiert. Man könnte auch den Eindruck gewinnen, dass die Macher Europas, die politischen Eliten einiger Länder, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Fokussiert auf den fast schon bedingungslosen Erhalt des Euros werden die Zentrifugalkräfte, welche die Völker Europas auseinander treibt, schlichtweg ignoriert oder wenigstens als Kollateralschaden billigend in Kauf genommen. Es schmerzt die Tatsache, dass Deutschland in der ausländischen Presse, allen voran der griechischen und englischen, mit Nazisymbolen auf deren Titelseiten dargestellt wird und man gleichzeitig feststellen muss, dass das durch die Zentrifugalkräfte entstandene Vakuum durch neofaschistische Tendenzen in halb Europa gefüllt wird. Halb Europa erinnert sich plötzlich an den zweiten Weltkrieg und kramt in den Annalen der Geschichte, ob nicht doch noch irgendwo ein paar Reparationszahlungen Deutschlands fällig werden könnten. Europa, worauf steuerst du da zu…?

Sicher, ein Krieg scheint unwahrscheinlich, obwohl ähnliche Probleme auch den zweiten Weltkrieg begünstigt haben aber heute liefert man sich Schlachten am Verhandlungstisch. Wobei man sich bei den Bildern aus den Straßenschlachten aus Athen durchaus an einen Krieg erinnern könnte, aber der eiserne Vorhang ist ohne einen Schuss gefallen und die Wiedervereinigung Deutschlands wurde mit dem Verzicht auf die D-Mark mit schwammigen Klauseln im Vertrag erkauft. Dabei waren es nicht mal die Russen, welche die Wiedervereinigung verhindern wollten, sondern die westlichen europäischen Alliierten, allen voran die Franzosen. François Mitterrand wollte sich der »Tyrannei der D-Mark« entledigen um seine eigene inflationäre Geldpolitik zu verschleiern und etliche andere, vor allem südeuropäische Länder mit der gleichen Strategie der Haushaltsfinanzierung waren seine Verbündeten. Helmut Kohl hat dem Deal zugestimmt, diesen Preis fand er gerechtfertigt um als Einheitskanzler in die Geschichte einzugehen. Der »Euro« sollte nun Europas Währung werden und Kohl bekam das Zugeständnis, dass die Europäische Zentralbank »EZB« nach dem Vorbild der Bundesbank aufgebaut und geführt wird.

Mit der Einführung des Euros kam der Wohlstand nun auch in Länder, welche ihn zumindest mit dieser Intensität eigentlich gar nicht bezahlen konnten. Das die EZB Staatsanleihen (immer noch) als Top-Sicherheit akzeptieren hat einen Kreislauf in Gang gesetzt, der für manche Länder eine Lizenz zum Geld drucken war. Und weil die Auflagen des Maastricht Vertrags zur Staatsverschuldung von so gut wie keinem Land in der Eurozone eingehalten wurde, wurde dieser sogleich ad absurdum geführt. Manche Länder aber haben den Bogen so überzogen, dass ihnen jetzt das Wasser bis zum Hals steht und der wirtschaftliche Kollaps droht (Italien, Spanien, Portugal, Irland) oder das ganze Land bereits in Trümmern liegt (Griechenland). Durch das nahezu unkontrollierte Pumpen von Geld in den europäischen Wirtschaftskreislauf, begünstigt durch völlig unzureichende Regeln im Bankensektor, wurde das so erstrebenswerte wirtschaftliche Wachstum finanziert. Das kreditfinanziertes Wachstum und die Bildung von Blasen quasi eine logische Konsequenz davon ist, wurde entweder übersehen oder im Kaufrausch einfach ignoriert. Die Banken kauften dabei Staatsanleihen auf Teufel komm raus um sich mit den Schuldscheinen als Sicherheit bei der EZB frisches Geld zu leihen. Jetzt schimpft jeder auf die Ratingagenturen, weil sie die Bonität einiger Länder und deren Banken abstürzen lassen und somit die Krise noch zusätzlich befeuern. Den Ratingagenturen mag man ja fehlende Objektivität vorwerfen können aber der eigentliche Fehler, den sie (in meinen Augen) gemacht haben ist, dass sie viel zu spät eingegriffen haben.

Die EZB hatte durchaus Kriterien, nach welchen Staatsanleihen als Sicherheit akzeptiert wurden. Nur Anleihen mit der Bestnote »AAA« wurden akzeptiert und einige Länder, darunter auch Griechenland, hätten diese Note nach den Maastrichtkriterien niemals haben dürfen aber die Länder mit hohem Wirtschaftsüberschuss, darunter Frankreich und vor allem Deutschland, hatten kein Interesse daran, dass den Griechen der Geldhahn abgedreht wird, weil das Geld durch griechische Importe wieder zurück in die großen Industrienationen geflossen ist. Gewusst hat das Jeder, interessiert hat das aber keinen. Jetzt regen sich die Griechen (zurecht) auf, weil Deutschland einer der Nutznießer des griechischen Kaufrausch war und die Deutschen regen sich (zurecht) darüber auf, weil die Griechen vorsätzlich gegen so ziemlich alle Kriterien des Maastrichtvertrages in großem Maße verstoßen haben und ihnen jetzt die Zahlungsunfähigkeit droht. Und selbst als die Ratingagenturen begonnen haben, die Kreditwürdigkeit einiger Länder herabzusetzen, ist die EZB hergegangen und hat die Mindestanforderungen der Staatsanleihen als Sicherheit konsequenterweise immer weiter herabgesetzt. Angeblich vorübergehend aber das war der Rettungsschirm ESM zu Anfang ja auch erst mal.

»Was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern« könnte man auf die Fahnen so ziemlich jeder Partei und jeder europanahen Institution schreiben. Ein Globalisierungsgegner war ich eigentlich von Anfang an, jetzt treiben sie mich auch noch zum Europagegner und das nicht weil ich gegen Europa bin, sondern weil ich den Kurs dahin für falsch und gefährlich halte. Die Fehler die im "kleinen" schon bei der Wiedervereinigung gemacht wurden, wiederholen sich jetzt im "großen" bei der Bildung eines vereinten Europas. Natürlich bin ich kein Europagegner aus nationalistischen Hintergründen, ganz im Gegenteil. Ich bin gegen (dieses) Europa weil ich die Gefahr sehe, den demokratischen Unterbau unserer Gesellschaft zu verlieren. Immer mehr Macht wird nach Brüssel transferiert, zu einem Parlament, welches keine demokratische Legitimation besitzt, welches nicht demokratisch gewählt wurde und welches sich auch nicht durch demokratische Maßnahmen (zB Wahlen) ändern lässt. Das fatale an der Geschichte ist, dass, bis auf die Linke und einige rechtsorientierte Splitterparteien, alle etablierten Parteien in Deutschland diesen Kurs massiv unterstützen. Demokratie und ein vereintes Europa scheint ein Widerspruch zu sein; und diesem kann und will ich nicht zustimmen.

Der politisch interessierte Bürger kann bei Wahlen eigentlich nur noch zwischen einigen Randthemen wie Energiewende, Betreuungsgeld oder dergleichen wählen. Eine echte Chance die Zukunft des Landes mitzugestalten bekommt er nicht, dass ist längst abgemachte Sache. Dabei wäre das Problem der hohen Staatsverschuldung recht simpel zu lösen, wenn man die Lobbyisten des Finanzsektors außer Acht lässt. Die Vergabe von Staatskrediten könnte zB ausschließlich der EZB vorbehalten werden. Diese verleiht das Geld bei Erfüllung einiger Voraussetzungen zum aktuellen Leitzins an die einzelnen Länder. Dadurch würde die Zinslast der einzelnen Länder enorm sinken, Deutschland hätte zB bei einer Nullprozent-Finanzierung 2012 einen realen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet und die Griechen wären enorm entlastet und könnten das Geld, welches sie jetzt in exorbitant hohe Zinsen investieren müssen in die eigene Wirtschaft stecken. Gut, das die Griechen Reformen einführen müssen und ihre Finanzierung des öffentlichen Sektors deutlich zurückfahren müssen, steht außer Frage aber die EZB könnte die Vergabe der Kredite ja an solche Bedingungen knüpfen. Die hohen Zinsen der gebeutelten Südländer wird vom Finanzsektor mit einem Risikoaufschlag begründet, weil ein hohes Risiko des Zahlungsausfalls bestünde aber welches Risiko besteht eigentlich noch, wenn Rettungsschirme den Zahlungsausfall verhindern? Da wird einfach nur abgesahnt, gänzlich ohne Risiko, staatlich gefördert. Und jetzt redet alles davon, dass sich die Länder und Regierungen wieder das Vertrauen der Märkte erarbeiten sollen. Länger und Regierungen sind Völker und Bürger und ich denke es sind die Märkte, die sich wieder das Vertrauen der Bürger erarbeiten sollten.

Seit neuestem steht nun aber Italien ganz oben auf der Agenda. Die Wahlen dort spiegeln eigentlich ganz gut die Empfindungen der europäischen Bevölkerung wider. Man will auch dort Europa aber nicht zu diesen Konditionen. Allerdings wird sich an dem bislang eingeschlagenen europäischen Kurs nichts ändern, weil auch oder vor allem in Italien zu viele persönliche Interessen im Vordergrund stehen. Auch Italien mach Wahlkampf mit Populismus und was dort die mafiösen Strukturen sind, sind bei uns die Lobbyisten. Ich denke das ein Umdenken in der politischen Elite Europas erst dann wirklich zustande kommt, wenn ein Land mal ein Zeichen setzt und aus dem europäischen Verbund austritt oder dies zumindest ernsthaft in Aussicht stellt. Dieses Europa braucht Reformen, noch bevor es überhaupt real existieren kann. Deutschland wählt dieses Jahr aber da sehe ich die Chance gering, dass sich dadurch der europäische Kurs grundlegend ändern wird, zu groß ist unser Nutzen (bislang) aus dem derzeitigen europäischen Konstrukt. Ich habe aber Hoffnung, dass sich eines der Krisenländer irgendwann zu einer dramatischen Lösung entschließt und dadurch eine Zäsur entsteht, welche das europäische Gebilde nachhaltig hin zu seinen Bürgern wendet…

pronto 2013/03/09 13:14

~~DISCUSSION~~

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